
Aber nun sind wir alle wie die Unreinen, und alle unsre Gerechtigkeit ist wie ein beflecktes Kleid. Wir sind alle verwelkt wie die Blätter, und unsre Sünden tragen uns davon wie der Wind. (Jesaja 64, 5)
Liebe Gemeinde, liebe Leser, was meint ihr, ist der Mensch tief drinnen gut und unverdorben, oder ist er Sünder durch und durch? Hat der Mensch die Möglichkeit das Gute in sich zu gebrauchen und zu aktivieren und christlich zu leben oder kann er gar nicht gut sein? Wenn der Mensch tief drinnen tatsächlich gut und unverdorben wäre, dann müsste es jedes Mal, wenn ich merke, dass ich etwas falsch gemacht habe, ziemlich bedrückend und deprimierend sein, denn allein durch die Tatsache, dass ich davon bewusst bin, dass ich etwas falsch gemacht habe, muss ich doch zugeben, dass ich meine Möglichkeiten nicht gebraucht habe, das Gute zu tun.
Und was ist, wenn ich immer wieder dieselben Fehler mache, wenn ich mich nicht bessern kann, wenn ich geistlich gar nicht wachse, wenn ich in mir suche und nichts finde, was da gut und unverdorben wäre, obwohl es doch etwas geben müsste? Kann ich dann noch erwarten, dass derjenige, gegen den ich mich versündigt habe, sei es Gott oder mein Nächster, mich vergeben soll, obwohl ich von mir aus eigentlich nichts daran tue, um meine Fehler zu vermeiden? Muss ich dann nicht in der Angst leben, dass mein Nächster oder Gott irgendwann sagt: Jetzt ist Genug, jetzt ist der Punkt erreicht, an dem ich mich nicht mehr von dir ausnutzen lasse, bevor du nicht deine Möglichkeiten gebraucht hast und mir wenigstens zeigen kannst, auch etwas getan zu haben? Der Glaube an das Gute im Menschen ist nicht biblisch.
Er ist ein Irrglaube. Auf diesem Irrglauben beruhen viele menschlichen Ideologien. „Es ist kein Mensch so gerecht auf Erden, dass er nur Gutes tue und nicht sündige“, sagt der Prediger Salomo (Pred 7,20). „Sie sind alle abgewichen und allesamt verdorben; da ist keiner, der Gutes tut, auch nicht einer“, betet der Psalmist (Ps 14,3). „Es ist hier kein Unterschied: sie sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten“, schreibt der Apostel Paulus an die Römer (Röm 3,23).
Und der Prophet Jesaja bezeugt, dass auch das, was wir für Gerechtigkeit halten, vor Gott wie ein beflecktes Kleid erscheint, uns also nicht rettet, erlöst und befreit. Christus ist nicht gekommen, um uns ein bisschen zu helfen bei unseren Bemühungen um das Gute, er ist nicht gekommen, um unser Leben etwas lebenswerter zu machen, sondern um uns aus Tod und Verderben, von Sünde, Tod und Teufel zu erretten, zu befreien, zu erlösen. Er allein kann das. Er allein tut das. Er allein schenkt uns den Glauben, schafft in uns den erneuerten Willen und gibt das Vollbringen. Und darum, aber auch nur darum, ist jeder Gottesdienst ein Freudenfest, weil wir Vergebung empfangen.
Denn Christus fordert von mir keine Vorleistungen, keinen Beitrag. Was er fordert, ist das bedingungslose Vertrauen auf seine Gnade; was er fordert, ist der Glaube, dass er allein uns von unserer Sünde reinigen kann und will und wird, wenn wir ihm vertrauen und auf nichts anderes, auch und schon gar nicht das Gute tief in uns drinnen, unsere ganze Hoffnung setzen. Der Glaube an das Gute im Menschen endet immer in der Enttäuschung und in der Verzweiflung. Jesus Christus, der Arzt der Kranken, macht uns nichts vor.
Er lässt uns nicht im Dunkeln über wie es eigentlich um uns steht, weil er nicht will, dass wir daran verloren gehen, sondern, dass wir uns helfen und heilen lassen. Es ist gut, wenn wir über unsere Sünde traurig werden, aber seit dem Sieg Jesu Christi über Sünde, Tod und Teufel, seit du in deiner Taufe mit Christus begraben wurdest und mit ihm auferstanden bist, brauchst du nicht mehr verzweifelt in dir selbst das Gute zu suchen und mutlos werden, wenn du da nichts findest.
Denn seitdem findest du Christus in dir, der dich gerecht spricht, der für dich gelitten hat und gestorben ist und deine neue Identität geworden ist, die vor Gott gilt. Darum bekennen wir uns Sonntag für Sonntag als arme, elende, sündige Menschen vor Gott und bitten um Vergebung, um die Gaben und die Kraft des Heiligen Geistes. Und darum schenkt uns Gott auch, worum wir ihn bitten und mit diesen Gaben die Freude am geschenkten neuen Leben, die nur der empfinden kann, der zum Tode verurteilt war und die Freiheit geschenkt bekam. Euer Pastor, Martin Paul