Wenn ihr fastet, sollt ich nicht sauer dreinsehen wie die Heuchler; denn sie verstellen ihr Gesicht, um sich vor den Leuten zu zeigen mit ihrem Fasten. Wahrlich, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn schon gehabt. (Mt 6,16)
Liebe Gemeinde, liebe Leserin, lieber Leser! Die Passionszeit wird manchmal auch die Fastenzeit genannt. Früher gab es ganz feste Regeln, was man in der Fastenzeit nicht essen oder trinken durfte. So durfte man zum Beispiel ab Aschermittwoch bis Ostern neben Fleisch auch keine Eier essen. Da die Fastenzeit über sechs Wochen dauerte und man rohe Eier noch nicht in Kühlschränke aufbewahren konnte, wurden sie gekocht. Um ältere Eier von jüngeren zu unterscheiden, färbte man sie unterschiedlich. So standen am Ostersonntag verschieden gefärbte Eier zum Essen auf den Frühstückstisch.
Heute wird das Fasten in der Passionszeit mehr oder wenige ernst genommen. Diejenigen die in der Passionszeit fasten, verzichten vielleicht auf Alkohol, Rauchen oder Schokolade. Fasten an sich kann auch ganz wunderbare Vorteile mit sich bringen. Wem es gelingt in der Fastenzeit mit dem Rauchen aufzuhören, der schont dadurch seine eigene Gesundheit. Wem es gelingt in der Fastenzeit auf Schokolode zu verzichten, der mag in dieser Zeit vielleicht das eine oder andere überflüssige Kilo loswerden. Aber wenn ich faste nur um meinetwillen, um des Vorteils willen, den ich davon habe, wenn ich nur faste um meiner Selbsterfahrung willen, dann habe ich, mit Christus zu sprechen, meinen Lohn schon dahin, dann hat mir das Fasten zwar auch was gebracht, aber dann habe ich doch aus dem Auge verloren, worum es im Fasten eigentlich geht: nämlich um mein Verhältnis zu Gott, um meine Freude darüber, ihn als Vater zu haben, der mich bedingungslos liebt.
Fasten hat vor allem mit meinem Herzen zu tun. Es geht darum, dass wir die Fastenzeit als eine Gelegenheit wahrnehmen, unser Herz wieder neu ganz auf Christus auszurichten, uns wieder neu darauf zu besinnen, was eigentlich der Schatz unseres Lebens ist, was die Nummer eins in unserem Leben, an der unser Herz hängt: „Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz“ (Mt 6,21). Und da geht es Christus nicht als erstes um das Thema „Schokolade“ oder „Zigaretten“, sondern um das Thema „Geld“ und „Besitz“. Wie sehr unser Herz daran hängt, wird schon allein daran deutlich, wie empfindlich Menschen auch in einer christlichen Gemeinde darauf reagieren, wenn dieses Thema in der Kirche angesprochen wird. Das möchten viele nicht hören, möchten nicht darauf angesprochen werden, dass zum christlichen Glauben eben auch dies gehört, ganz bewusst loszulassen, woran unser Herz sich allzu schnell klammern könnte.
Und wir? Geben wir in unserem Leben nur das ab, was wir sowieso über her haben, oder geben wir tatsächlich auch von dem ab, woran unser Herz hängt? Ist uns das überhaupt bewusst, dass auch und gerade unser Umgang mit Geld und Besitz sehr direkt mit unserem Glauben zu tun hat, damit, welche Bedeutung Christus für uns in unserem Leben hat? Es geht nicht nur um die Kollekte und den Gemeindebudget, auch wenn wir bei der sicher auch schon mal das Loslassen einüben können. Es geht hier um unsere ganze Lebenseinstellung. Es geht dann auch darum, was wir von dem loslassen, was uns daran hindert, der Einladung unseres Herrn zum Gottesdienst zu folgen, was wir auch ansonsten von dem loslassen, was uns zu unfreien Menschen macht, was wir loslassen an schlechten Gewohnheiten, ja, auch an Unversöhnlichkeit.
Das schaffen wir nicht aus eigener Kraft, das wird immer wieder nur so gelingen können, dass wir uns an unsere Heilige Taufe erinnern, an den Schatz, der uns dort geschenkt worden ist: „Was sind alle Schätze nütze, da ich einen Schatz besitze, der mir alles Heil gebracht und mich ewig selig macht“ (Lutherisches Gesangbuch, S. 275). Fastenzeit ist Zeit des Taufgedenkens. Gott geb’s, dass wir alle miteinander in diesen kommenden Wochen immer wieder die Erfahrung machen, was für eine Kraft unsere Heilige Taufe in sich birgt. Gott geb’s, dass unser Fasten darum immer wieder zuerst und vor allem im Gottesdienst am Altar beginnt, dort, wo wir auf jeden Fall an einem Punkt nicht fasten sollten: beim Empfang des Leibes und Blutes unseres Herrn.
Euer Pastor,
Martin Paul