Ich lebe für meine Familie

Es ging aber eine große Menge mit Jesus; und er wandte sich um und sprach zu ihnen: Wenn jemand zu mir kommt und haßt nicht seinen Vater, Mutter, Frau, Kinder, Brüder, Schwestern und dazu sich selbst, der kann nicht mein Jünger sein. Und wer nicht sein Kreuz trägt und mir nachfolgt, der kann nicht mein Jünger sein. (Luk 14,25-27)

Liebe Leserin, lieber Leser, nun ist das schon fast 2000 Jahre her, dass Jesus diese Worte gesagt hat, aber sie sind so aktuell, dass sie auch bei uns ganz ins Schwarze treffen. Jesus sagt: Es gibt bei den Menschen dreierlei, was ihnen wirklich wichtig ist und was sie dann auch immer wieder daran hindert, in der verbindlichen Gemeinschaft mit mir zu leben: Das ist die Familie, das ist der Spaß und das ist der Besitz.

Ja, es gibt nicht wenige Menschen, deren Leben sich mit diesen drei Stichworten ganz gut zusammenfassen lässt: „Ich lebe für meine Familie“, so sagen sie, und entsprechend bestimmt das Familienleben auch das alltägliche Leben. Höhepunkte des Jahres sind dann die Geburtstagsfeiern der Familienangehörigen. Und natürlich gehört zum Leben dann auch der Spaß, der sich je nach Veranlagung ganz unterschiedlich äußern kann, je nachdem, ob man denn nun mehr auf Party oder auf Gemütliches Beisammensein, auf Rugby oder auf Konzert steht. Wichtig ist jedenfalls, dass man eine Gemeinschaft von Gleichgesinnten hat und dass man einfach das machen kann, wozu man Lust hat. Und natürlich gehört zum Leben dann auch noch das Geld, an das man irgendwie herankommen muss, in der Regel natürlich durch Arbeit irgendwelcher Art, und so ist es für viele ein wesentlicher Lebensinhalt, an Geld und möglichst noch mehr Geld heranzukommen. Und dafür muss man dann natürlich schon was einsetzen im Leben, das versteht sich von selbst. Nun sagt Jesus hier in dem Gotteswort nicht: Familie ist nichts, Eltern sind unwichtig, Kinderkriegen ist falsch, sollte man alles bleiben lassen und aufgeben. Jesus sagt auch nicht: Wer ein richtiger Christ ist, der darf in seinem Leben keinen Spaß haben, der darf keine Hobbys haben, der darf eigentlich nur mit ganz ernste Miene durch diese böse Welt laufen. Soweit darf es im Leben eines Christen ja nun keinesfalls kommen, dass der womöglich auch noch anfängt zu lachen! Und Jesus sagt auch nicht: Geld verdienen und Geld besitzen ist Sünde; wer ein richtiger Christ sein will, der muss ins Kloster ziehen!

Aber Jesus sagt doch – und da wird es für uns nun ganz spannend –: Es wird im Leben immer wieder Konflikte geben zwischen den drei Bereichen, die für die Menschen normalerweise die wichtigsten sind, und dem Leben in der Gemeinschaft mit mir: Und das geht tatsächlich mit der Familie los. Was hier in Luk 14,26 steht, klingt ja ziemlich hart: „Wenn jemand zu mir kommt und hasst nicht seinen Vater, Mutter, Frau, Kinder, Brüder, Schwestern und dazu sich selbst, der kann nicht mein Jünger sein.“ Das klingt ja nach einer Jugendsekte, bei der Jugendliche aus ihrer Familie herausgeholt und indoktriniert werden, sodass sie von ihrer leiblichen Familie nichts mehr wissen wollen und sie im wahrsten Sinn des Wortes hassen. Doch zum Verständnis dieses Wortes Jesu müssen wir wissen, dass „hassen“ in der damaligen Sprache etwas anderes hieß, als wie wir das Wort heute verstehen. „Hassen“ – das hatte nichts mit irgendwelchen negativen Emotionen zu tun, sondern das bedeutete einfach: etwas als weniger wichtig ansehen, etwas an die zweite Stelle setzen. Darum ging es Jesus, aber gerade damit spricht er natürlich nichtsdestoweniger ganz aktuelle Probleme an: Ja, Jesus erwartet von uns, dass wir ihn und nicht unsere Familie an die erste Stelle in unserem Leben setzen. Und das heißt ganz praktisch: Er erwartet von uns, dass es uns im Zweifelsfall wichtiger ist, was er uns sagt, als was unsere eigene Familie so denkt. Er erwartet von uns, dass wir uns nicht durch alle möglichen Familienfeiern, so schön sie auch sein mögen, und auch nicht vom Wunsch der Familie nach einem gemütlichen Frühstück am Sonntagmorgen davon abhalten lassen, ihm, unserem Herrn, hier im Gottesdienst zu begegnen. Er erwartet von uns, dass wir nicht aus Rücksicht auf unseren Ehepartner, der vielleicht vom christlichen Glauben nichts wissen will, darauf verzichten, unseren Glauben als Christen zu praktizieren. Ja, Jesus erwartet von uns, dass wir um seinetwillen, wenn es denn nicht anders geht, auch Konflikte nicht vermeiden, sondern Stellung beziehen auch in unserer Familie, was uns unser Glaube eigentlich bedeutet.

Und genauso ist das mit dem Spaß im Leben: Wie gesagt: Es geht Jesus nicht darum, dass wir in unserem Leben keinen Spaß haben sollen oder dürfen. Wohl aber sollen wir zugleich auch seine Worte im Ohr haben: „Wer nicht sein Kreuz trägt und mir nachfolgt, der kann nicht mein Jünger sein.“ Zum Christsein gehört immer auch die Bereitschaft mit dazu, um Christi willen auch auf etwas zu verzichten, ja auch Nachteile in Kauf zu nehmen. Ach, wie lächerlich ist dieser Verzicht, sind diese Nachteile in unserem Leben im Vergleich zu dem, was Christen in vielen anderen Ländern dieser Welt um ihres Glaubens willen in Kauf nehmen! Sollen wir es dagegen allen Ernstes schon als einen Akt der Kreuzesnachfolge ansehen, wenn wir es schaffen, am Sonntagmorgen rechtzeitig aus dem Bett zu kommen, wenn wir es uns mal anhören müssen, dass andere dumme Sprüche über unseren Glauben machen, wenn wir vielleicht mal Stellung beziehen müssen und es den anderen nicht passt? Und doch halten wir dies allein schon oft genug für kaum zumutbar, fühlen uns vielleicht schon allein damit glatt überfordert! Ach, wie tief steckt solch ein Wohlstandchristentum schon in uns drin, dass wir Christus und seine Kirche so schnell nach hinten in unserem Leben rutschen lassen, wenn sie uns irgendwie den Spaß, den wir im Leben haben wollen, einschränken könnten!

Und dasselbe gilt schließlich auch für unseren Besitz. Mir bleibt nichts anderes übrig, als die Worte unseres Herrn weiterzusagen: „Jeder unter euch, der sich nicht lossagt von allem, was er hat, der kann nicht mein Jünger sein.“ Geld und Besitz – sie dürfen niemals wichtiger für uns sein als Christus und das Leben mit ihm. Ja, Geld und Besitz, sie haben von daher mit unserem Glauben zu tun, dürfen nicht als Ausnahme betrachtet und hantiert werden. Haben wir diese Worte unseres Herrn im Ohr, wenn wir uns überlegen, wozu wir alles bereit sind, um an Geld, an mehr Geld in unserem Leben heranzukommen? Kommen Gottes Gebote in unserem Leben gegen die Anziehungskraft des Geldes überhaupt noch an, oder ist das Geld zwischen unseren Fingern für uns schon das entscheidende Argument an sich? Ja, welche Rolle spielen Geld und Besitz überhaupt in unserem Leben? Und worauf wären und sind wir um Christi willen bereit zu verzichten in unserem Leben? Fragen sind das, denen wir angesichts der Worte Christi, die wir eben gehört haben, nicht ausweichen können.

Wenn ich mein Leben nur darauf gründe, ein schönes Familienleben zu pflegen, Spaß zu haben und genug Geld zu verdienen, dann wird da nichts bleiben, was dauerhaften Bestand hat. Dann werde ich am Ende feststellen müssen, dass ich mich ganz und gar verrechnet habe. Christus will aber nicht, dass du dein Leben verspielst, dass du dein Leben verfehlst, sondern will dir vergeben, will dir gerade durch die Vergebung das wahre Leben schenken. Er will die Nummer 1 in deinem sein, derjenige auf dem du dein Leben gründest. Und wenn du dein Leben auf Christus gründest, wenn er in deinem Leben die Nummer 1 ist und bleibt, dann hast du eine Basis für dein Leben, auf der du dauerhaft bauen kannst, eine Basis, auf der du dich an deiner Familie freuen kannst, auf der du durchaus auch Spaß haben kannst und auch nicht wie ein Bettelmönch leben musst und auf der dein Leben am Ende doch vollkommen sein wird, ganz gleich, wie viele Jahre du hier auf der Erde zubringen magst. Und wenn du ihn, Christus, auf deiner Seite hast, dann brauchst du dir auch keine Sorgen zu machen, ob du mit deinem Glauben auf der Seite der Mehrheit oder auf der Seite der Minderheit stehst, ob die anderen vielleicht mehr sind als du. Mit ihm, Christus, stehst du immer auf der Seite des Siegers.

Euer Pastor,

Martin Paul