Und als sie Jesus sahen, entsetzten sie sich. Und seine Mutter sprach zu ihm: Mein Sohn, warum hast du uns das getan? Siehe, dein Vater und ich haben dich mit Schmerzen gesucht. Und er sprach zu ihnen: Warum habt ihr mich gesucht? Wisst ihr nicht, dass ich sein muss in dem, was meines Vaters ist? – Luk 2,48-49
Liebe Gemeinde, liebe Leserin, lieber Leser! In unserer Gemeinde haben wir, Gott sei Dank, viele Kinder, Teenager und Jugendliche. Das haben wir dem Herrn zu verdanken. Dabei liegt eine große Verantwortung bei uns als Eltern, Paten, Großeltern, Pastor, usw. die Kinder, Teenager und Jugendliche in der Gemeinde im Glauben zu erziehen.
Wie macht man das? Das Gotteswort aus Lukas 2,41-52 kann uns eine Hilfe sein. Da ist von Maria und Josef die Rede, die ganz vorbildhaft handeln. Sie nehmen Jesus mit, nehmen ihn dorthin mit, wo Israel seine Feste feiert, lassen ihn erleben, dass es im Glauben nicht nur um irgendwelches theoretisches Wissen geht, sondern um das fröhliche Feiern der Heilstaten Gottes.
Und das bedeutet gleichzeitig: Glauben wird in der Gemeinschaft gelebt und gefeiert. Maria und Josef ziehen mit Jesus nach Jerusalem, und wir können uns bildhaft vorstellen, dass Jesus an beidem seine besondere Freude gehabt haben wird: an dem beeindruckenden Tempel in Jerusalem und an der gemeinsamen Reise mit seinen gleichaltrigen Freunden.
Genauso sieht christliche Erziehung auch heute aus: nicht so, dass Kinder zum Glauben geprügelt oder anderswie gezwungen werden, sondern so, dass Eltern ihre Kinder einfach mitnehmen, ihnen damit vorleben, was ihnen selber wichtig ist, dass es auch für die Kinder ganz selbstverständlich wird, die Feste im Hause Gottes mitzufeiern.
Und dabei erleben sie dann, wie schön es ist, mit anderen Gleichaltrigen zusammen zu sein, ja, im Alter von Jesus dann auch mit anderen gemeinsam unterwegs zu sein. Da hat sich in den letzten 2000 Jahren gar nicht so viel geändert, wenn ich die Kinder, Teenager und Jugendliche angucke.
Maria und Josef scheinen hier ja erst mal ziemlich entspannte Eltern zu sein. Sie zwingen ihren zwölfjährigen Sohn nicht die ganze Zeit in ihre unmittelbaren Nähe zu bleiben, sondern sie vertrauen darauf, dass er schon irgendwo mit seinen Freunden sein wird, die auch wieder vom Passafest unterwegs nach Hause sind.
Doch als Maria und Josef dann merken, dass ihr Sohn gar nicht mitgekommen ist, reagieren sie dann doch, wie Eltern sonst in solchen Situationen reagieren: Sie erschrecken sich, gehen schnell wieder zurück nach Jerusalem, durchsuchen drei Tage lang die Stadt und sind schließlich nur noch erleichtert, als sie ihren Sohn dann dort finden, wo sie ihn am wenigsten vermutet hatten: ausgerechnet im Tempel.
Loslassen und doch Sorge tragen um Kinder – wer selber Kinder erzogen hat, weiß nur allzu gut, was das bedeutet, weiß, dass er nicht die ganze Zeit auf die Kinder aufpassen kann – und weiß doch gleichzeitig, dass er doch verantwortlich bleibt für sie, ja auch dafür, ihnen Grenzen zu setzen. Und je älter die Kinder werden, desto mehr wird es ja die Aufgabe der Eltern, das Loslassen ihrer Kinder zu üben, darauf zu vertrauen, dass das, was sie den Kindern mitgegeben haben, nun im Weiteren im Leben auch trägt. Wie gut, wenn dazu dann auch gehört, dass die Kinder bei Gott in seinem Haus geborgen sind, dort zu Hause sind! Genau darum geht es in unserer Kinder- und Jugendarbeit, geht es im Vor- und Konfirmandenunterricht: Kinder sollen die Kirche, sollen das Haus Gottes als ihr Haus entdecken, sollen bei Gott zu Hause bleiben, auch und gerade, wenn sie sich allmählich von dem Zuhause bei ihren Eltern zu lösen beginnen.
Noch eines wird uns in dieser Geschichte deutlich gemacht: Jesus sitzt da im Tempel und stellt Fragen. Ja, gerade auch so sieht Erziehung im Glauben aus, dass junge Menschen dazu ermutigt werden, Fragen zu stellen, ja auch kritische Fragen zu stellen. Erziehung im Glauben ist gerade keine Indoktrination, kein Belehren, sondern geschieht immer wieder im Gespräch, in Frage und Antwort. Das wusste man damals schon in Israel, und das ist auch heute ganz wichtig, dass wir Kindern und Jugendlichen diese Möglichkeiten zum Fragen eröffnen. Wir brauchen doch keine Angst vor Fragen zu haben, dürfen uns im Gegenteil über Fragen freuen, die zeigen, dass junge Menschen sich mit dem Glauben auseinandersetzen.
Worum geht es bei der christlichen Erziehung? Das Ziel aller christlichen Erziehung besteht darin, junge Menschen bei Christus bleiben zu lassen. Die Geschichte hier aus dem Lukasevangelium zeigt uns Christus, der eine ganz normale menschliche Entwicklung durchlebt und doch schon als Kind davon weiß, wer sein Vater ist, wo er herkommt, wo er hingehört. Er ist und bleibt wahrer Mensch und wahrer Gott: Wahrer Mensch, der gerade auch Jugendliche in der Pubertät versteht, und doch zugleich wahrer Gott, der sich aus Liebe zu uns auf den Weg zu uns gemacht hat, ja, der warten konnte, bis schließlich seine Stunde da war, um zu tun, was sein Auftrag war: für uns am Kreuz zu sterben, um uns zu retten.
Gott selbst ist in diese Welt gekommen, er hat nicht nur einen Propheten geschickt, sondern ist selber Mensch geworden, nicht nur um uns zu belehren, sondern um unsere Sünde und unser Versagen auf sich zu nehmen, ja auch unsere Sünde und unser Versagen in der Erziehung unserer Kinder als Eltern und auch als Pastoren. Wir Menschen stoßen hier immer wieder an unsere Grenzen. Doch wie gut, dass wir unsere Kinder immer wieder Jesus anvertrauen dürfen, dass wir sie zu ihm in sein Haus bringen dürfen. Gott geb’s, dass sie in der Gemeinde so zu Hause bleiben, dass sie es schließlich unserem Herrn nachsprechen können: „Wisst ihr nicht, dass ich sein muss in dem, was meines Vaters ist?“
Euer Pastor,
Martin Paul